21.03.2025
Wer in den letzten Tagen auf dem Steinbrückenweg unterwegs
war, dem
ist sicherlich der riesige Abrissbagger auf dem ehemaligen
EOW-Gelände aufgefallen. Der langen Zeit angekündigte
Rückbau der alten Industrieanlagen wird nun umgesetzt.
Mit dem Abriss verschwindet auch ein Stück Oberweimarer
Industriegeschichte. Im Jahr 1907 verlagerte Johann Carl seine Fabrik
für schlagwettergeschützte elektrische Lampen von
Jena in das bereits 1880 errichteten Fabrikgebäude am
Steinbrückenweg. Die Elektrotechnische Fabrik J. Carl
entwickelt sich rasch zum größten Industriebtrieb
Oberweimars. [1]
Ab 1930 ist die Geschichte des Fußballsports in Oberweimar
eng mit diesem Industriestandort verknüpft. Bevor der
Abrissbagger das Gelände schleift, wollen wir kurz
zurückschauen:
Vor dem 2. Weltkrieg ist diese Beziehung zur damaligen Carlsfabrik sehr
widersprüchlich.
Da ist beispielsweise die Geschichte unseres
ehemaligen Sportplatzes Ilmgarten am Steinbrückenweg. Ohne die
Unterstützung des damaligen Prokuristen Beyer hätten
die Fußballer des VfB Oberweimar das Geld für die
Errichtung des Fußballplatzes zwischen
Steinbrückenweg und Ilm nicht zusammen bekommen.
Später unterstützte die elektrotechnische Fabrik
unseren Verein bei den jährlichen Pachtgebühren, die
an die Stadt Weimar zu entrichten waren.
Mitglieder des VfB Oberweimar 1930 beim Bau des Sportplatzes Ilmgarten am
Steinbrückenweg
Im 2. Weltkrieg sorgte allerdings das gleiche Unternehmens auch
für das Ende des Sportplatzes Ilmgarten. Die Carlsfabrik
lässt gegenüber dem Firmenstandort neue Baracken
für „besonders wichtige
Luftwaffenfertigung“ errichten und zwingt die Stadt Weimar
zur Aufkündigung des Pachtvertrages mit dem VfB Oberweimar
für den Ilmgarten. Im Jahr 1943 wurde damit das Ende des
Sportplatzes besiegelt. [2]
Nach dem 2. Weltkrieg wird die Carlsfabrik enteignet. Aus dem
IKA Oberweimar (1947) und
Elektroinstallation Oberweimar (1948) wird zu DDR-Zeiten der VEB
Elektroinstallation Oberweimar (EOW). Entsprechend der DDR-Sportpolitik
agierte nun das EOW als sogenannter Trägerbetrieb für
die Betriebssportgemeinschaft Motor Süd Oberweimar, bei der
nun die Fußballer Oberweimars aktiv waren. Für
Generationen von Fußballern war es völlig normal, im
EOW zu arbeiten und nach Feierabend die Fußballschuhe
anzuziehen, um auf der Falkenburg bei Motor Süd zu trainieren.
Dabei waren die Umkleidemöglichkeiten des EOW rechts neben dem
Werktor gleichzeitig die Umkleideräume für die
Fußballer.
Nach der Wende übernahm das Unternehmen R. Stahl aus
Baden-Württemberg das EOW und siedelte sich später in
einem Neubau in der Nordstraße an. Damit endete auch die
Beziehung des Traditionsbetriebes zu unserem Verein, der ab 1990 wieder den alten Namen VfB
Oberweimar trug.
Schade ist bei der ganzen Diskussion um den Abriss des
EOW-Geländes, daß der alte Sportplatz Ilmgarten in den
Überlegungen zur weiteren Gestaltung überhaupt keine
Rolle spielt.
Abrissbagger im März 2025 am EOW-Gelände
Vielleicht existieren irgendwo noch Fotos vom EOW aus DDR-Zeiten?
Wir würden uns freuen über eine Zusendung an info@vfb-oberweimar.de
Weitere Informationen:
Günter
Johnsen - der Ortschronist von Oberweimar
Ein altes Trikot und seine
Geschichte
Quellenverzeichnis:
[1] | „Weimar Lexikon der Stadtgeschichte,“ Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar, 1998, ISBN 3-7400-0807-5 |
[2] | Stadtarchiv Weimar, Pachtvertrag zwischen Staatsgutverwaltung und Stadtgemeinde über den Ilmgarten in Oberweimar zur Errichtung eines Sportplatzes, 1928–1944, Signatur 12/9-92-209 |